Gebot der Stunde

Lesezeit: 5 Minuten

„Ihr lieft so gut.“ (Galater 5, 7)

Das Christsein kann man eher mit einem Marathonlauf als mit einem Sprint vergleichen. Während es bei einem Sprint auf maximale Geschwindigkeit während einer relativ kurzen Zeitspanne ankommt, erfordert der Marathon vor allem Ausdauer, Disziplin und Durchhaltevermögen über eine lange Wegstrecke. Wenn du bei einem Marathon einfach volle Kanne losrennst, kann es sein, dass du nicht lange durchhältst und am Ende als Letzter oder gar nicht ans Ziel kommst und alle denken: „Ja, meine Güte, was ist passiert, wo bleibt er denn! Es sah doch anfangs so gut aus! Und jetzt? Ach, wie schade!“

Genau daran musste ich denken, als ich kürzlich den obigen Bibelvers las. Bei den Worten des Apostel Paulus schwingt dieses Bedauern, diese Enttäuschung, dieses „Ach, wie schade!“ mit.

Beim Galaterbrief habe ich den Eindruck, dass er insgesamt in gewisser Weise ein Thema vertieft, dass Jesus im Gleichnis vom Sämann aufgegriffen hat.

Da ist eine Stelle in diesem Gleichnis, an der es heißt: „Anderes fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. (6) Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es.“ (Matthäus 13, 6 f.)

Du kennst diesen Text, oder? Sonst schlage ihn doch einmal schnell nach.

In diesem besonderen Fall lieferte Jesus sogar gleich darauf die Bedeutung mit. Und so heißt es dann passend in den Versen 20 und 21: „Der aber auf felsigen Boden gesät ist, das ist, der das Wort hört und es alsbald aufnimmt mit Freuden; (21) aber er hat keine Wurzel in sich, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung erhebt um des Wortes willen, so kommt er alsbald zu Fall.“

Es geht in diesem Abschnitt also um Menschen, die mit großem Interesse und voller Freude die gute Nachricht von Jesus Christus annehmen, aber im Glauben nicht durchhalten, kein geistliches Stehvermögen haben und letztlich das Christsein wieder über Bord schmeißen.

Ehrlich gesagt kommt das wahrscheinlich ziemlich häufig vor. Sonst hätte Jesus das vermutlich nicht thematisiert. Vielleicht kennst du ja sogar auch die ein oder andere Person, der das passiert ist.

Der Apostel Paulus muss jedenfalls diese Gefahr vor Augen gehabt haben, als er den Galaterbrief schrieb. Ach, wie hatte er sich doch engagiert und investiert als er bei ihnen gewesen war. Er hatte zu ihnen über den Glauben an Jesus Christus gesprochen, gepredigt und evangelisiert. Er hatte sich so richtig reingehängt – und das, obwohl es ihm zu dieser Zeit wahrlich gesundheitlich nicht gut ging.1

Und wie groß war dann der Segen, den Gott geschenkt hatte! Viele, die zuhörten, nahmen Paulus und seine Botschaft voller Begeisterung auf, kamen zum Glauben und es bildeten sich Gemeinden. Man spürt förmlich in den Worten des Paulus wie innig die Gemeinschaft und die Liebe dort untereinander war.

Und nun, nachdem er weitergezogen und schon eine ganze Weile nicht mehr unter ihnen war, erreichten ihn Nachrichten, die ihn mehr und mehr beunruhigten. Das, was er hören musste, ließ ihn schließlich beinahe verzweifeln, sodass er in seinem Brief schrieb: „Ich wollte aber, dass ich jetzt bei euch wäre und mit andrer Stimme zu euch reden könnte; denn ich bin ratlos euretwegen.“ 2

Was war da bloß passiert? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Eine genaue Schilderung der Situation und der Ereignisse, die hierzu geführt hatten, liegt uns leider nicht vor. Der Brief des Paulus enthält jedoch eine Vielzahl an Hinweisen, sodass wir uns, wenn wir ihn konzentriert lesen, doch eine ganz gute Vorstellung davon machen können.

Die Gemeinden in Galatien bestanden größtenteils aus Heidenchristen, also aus Menschen, die nicht aus dem Volk der Juden stammten. Da es jedoch damals im gesamten Römischen Reich auch jüdische Synagogen-Gemeinden gab, die Paulus nach seiner Gewohnheit auf seinen Missionsreisen an allen Orten als erste Anlaufstationen nutzte, hatten sich auch eine ganze Reihe von Juden bekehrt, die daraufhin ebenfalls zu den neu gegründeten christlichen Gemeinden hinzugefügt worden waren.

Offensichtlich traten dann schon bald nach der Abreise des Paulus Irrlehrer in den Gemeinden in Galatien auf. Paulus schreibt, dass diese Leute mit ihren Botschaften

  • die Gläubigen verwirrten und das Evangelium Christi verkehren wollten3,
  • sie bezauberten4,
  • ihnen wieder das Joch der Knechtschaft auflegen wollten5,
  • in dem sie z.B. die Geschwister aus den Heidenvölkern veranlassen, ja sogar zwingen wollten, sich gemäß jüdischer Sitte beschneiden zu lassen6,
  • die Galater überreden und abhalten wollten der Wahrheit zu gehorchen7

Der Tenor dieser Irrlehren bestand offenbar in der Behauptung, dass die Botschaft vom Kreuz und der Glaube an Jesus Christus zur Errettung allein nicht ausreichend, sondern dass die Einhaltung des (jüdischen) Gesetzes inklusive der Beschneidung ebenso zwingend notwendig für das Heil sei.8

Mit diesen zusätzlichen Bedingungen belasteten diese falschen Lehrer natürlich alle Geschwister, nicht nur die Heiden-, sondern auch die Judenchristen. Denn, gemäß ihrer Lehre, mussten ja nun alle Christen peinlich genau alle Vorschriften des Gesetzes befolgen. Damit verkehrten sie die „Botschaft der Gnade“ in ein „falsches Evangelium der Knechtschaft unter dem Gesetz“, das – so Paulus – für den, der es verbreitet, aber auch für den, der es annehmen würde großen Schaden, im Wortlaut „Fluch oder Verfluchung“, bedeutet.9

Im Nachdenken darüber frage ich mich: Wie anfällig sind wir als Christen heute für so etwas? Sind wir dagegen immun? Vielleicht würdest du spontan darauf antworten: „Nein, das könnte uns nicht passieren! Es ist doch sonnenklar, dass diese Lehre falsch ist!“

Und doch zeigt uns auch die spätere Kirchengeschichte, dass Christen auf Irrlehren hereingefallen sind. Immer wieder gab es falsche Propheten oder Lehrer, die mit ihrer besonderen Lehre dem Evangelium etwas hinzugefügt oder davon weggenommen haben.

Wo könnten also für uns heute Gefahren lauern? Hier zwei Beispiele:

  • Die Gemeindelandschaft ist ein bunter Flickenteppich von sehr unterschiedlichen Kirchen, die sich teilweise als Konkurrenz ansehen oder sogar im Extremfall bekämpfen. So schmerzt es viele Christen, dass die Kirchen und Denominationen nach außen hin ein Bild der Trennung und Spaltung abgeben und es besteht der verständliche Wunsch nach größerer Einheit. Unter dem Stichwort der Ökumene bemühen sich daher konfessionell getrennte Christen und Kirchen bereits seit vielen Jahrzehnten um eine Annäherung und die Einheit der Kirche.
    Bei allem Bemühen um das Gemeinsame droht aber, wie sich zum Beispiel in manchen ökumenischen Veranstaltungen zeigt, die Wahrheit hinten runter zu fallen. In gemeinsamen Gottesdiensten werden plötzlich sogar von eigentlich biblisch-konservativen Gemeindeleitern und Pastoren um der Einheit und des lieben Friedens willen theologische Aussagen geduldet oder sogar getätigt, bei denen sich dem aufmerksamen Bibelleser buchstäblich der Magen herumdreht. Wenn dies der Trend darstellen sollte, fragt man sich, in welcher Einheitskirche wir uns irgendwann einmal wiederfinden werden und inwieweit diese allgemeine (=katholische) Kirche noch der Kirche des Neuen Testaments entsprechen wird. Vor diesem Hintergrund ist es sicher gut sich daran zu erinnern, dass nicht wenige unserer Glaubensväter für die Wahrheit der Bibel den Märtyrertod gestorben sind und das Einheit nicht auf Kosten der Wahrheit gehen kann.
  • Es tauchen immer wieder Aspekte des Glaubens auf, die in besonderer Weise „gehypt“, also weit über die Maßen herausgehoben werden. Das können beispielsweise solche Punkte wie „Taufe“, „Geistestaufe“, „Heilung von Kranken“, „Sakramente“, „Handauflegen“, „geistliche Erfahrungen und Wirkungen“, „Prophezeiungen“, „Lehre über die Endzeit“, „(geistliche) Ämter, Aufbau und Organisation der Gemeinde“, „Liturgie und Kirchenmusik“, „Heilige und Feiertage“ sowie „Geistesgaben“ sein. Plötzlich werden diese Aspekte in einzelnen Gemeinden oder christlichen Kreisen so außerordentlich betont und wichtig, dass an der Echtheit des Christenstandes von Glaubensgeschwistern gezweifelt wird, die in Bezug auf diese Themen nicht zu 100% die gleiche Auffassung vertreten. Über das extreme Betonen von einzelnen Lehren droht dann die Balance insgesamt verloren zu gehen und die Gemeinde oder die Gruppe ins Sektiererische abzugleiten.

Aber auch im „privaten“, alltäglichen Leben des Einzelnen kann der Fokus, die Basis unseres Glaubens leicht verloren gehen. Da schleichen sich schnell Nachlässigkeiten, Ablenkungen, Stress, Überforderungen oder Verführungen ein, die uns aus dem Tritt bringen. Der Satz „Ihr lieft so gut.“ hat also auch diesen persönlichen Aspekt.

Ich fühle mich davon herausgefordert und frage mich, wo das auf mich zutrifft. Bin ich noch in der Spur, voll mit Jesus auf dem Weg? Brenne ich noch für ihn? Oder ist das Feuer schon beinahe aus? Stehen die Gnade Gottes und das bedingungslose Vertrauen auf meinen HERRN noch im Zentrum oder wurden sie schon ersetzt durch Zwänge, Gesetzlichkeiten, mechanische Gewohnheiten sowie kopf-und herzlose Rituale? Gottesdienstbesuche als Pflichtprogramm, ein schnelles, gedankenloses Gebet hie und da oder ein kleines Stoßgebet in Momenten der Not, die Bibel lediglich noch in Form des flüchtigen Blickes auf den christlichen Abreißkalender und das war’s.

„Du liefst so gut, ach wie schade.“ lässt mich erschaudern. Das möchte ich nicht hören. Nicht jetzt und schon gar nicht am Ende, als Fazit über mein Leben. Möge mich der HERR davor bewahren. Möge ER mir helfen, dieses Feuer des Glaubens immer wieder zu entfachen. „Erwecke die Gabe Gottes, die in dir ist.“10 Das ist das Gebot der Stunde!


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1 vgl., auch zum Folgenden, Galater 4, 13 – 15
2 Galater 4, 20
3 vgl. Galater 1, 7
4 vgl. Galater 3, 1
5 vgl. Galater 5, 1
6 vgl. Galater 5, 2 und 6, 12
7 vgl. Galater 5, 7 f.
8 vgl. u.a. Galater 2, 15 ff.
9 vgl. u.a. Galater 1, 6 ff.; 2, 21; 3, 10 ff.
10 vgl. 2. Timotheus 1, 6

Bibelverse zitiert aus:
Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Die Verwendung des Textes erfolgt mit Genehmigung der Deutschen Bibelgesellschaft.


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Über den Autor:

Torsten Ratschat, gebo­ren 1967, ist leitender Angestell­ter in der Stahl­industrie. Er ist verhei­ratet und hat 3 erwach­sene Kinder.

„Stockdunkel? Mit Jesus wird’s hell!”

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Eine Antwort

  1. Brill Jan David sagt:

    Vielen Dank. Jesus Christus ist das Zentrum an Ihm scheiden sich die Geister

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