Hummelflug

Lesezeit: 4 Minuten
Bild von Josef Pichler auf Pixabay

Der Impuls für diesen Artikel kommt durch einen flüchtigen Blick zustande. Als ich durch’s Eßzimmer gehe, laufe ich an unserem CD-Ständer vorbei. Mir fällt ein Cover ins Auge, für einen Moment. Gerade genug Zeit für das Bild und um den Titel des Werkes zu lesen: Hummelflug. Während ich weitergehe murmele ich innerlich immer wieder dieses Wort: „Hummelflug, Hummelflug, Hummelflug.“ „Interessant“, denke ich, „ein außergewöhnlicher Begriff!“

Im Rheintal

Meine Gedanken schweifen ab und ich lande bei „Himmelsflug“.

Einer meiner Lieblingsspazierwege führt durch die Felder direkt vor unserem Dorf. Eine kleine Anhöhe ist zu bewältigen, um dorthin zu gelangen. Kaum hat man dann das letzte Haus des Ortes verlassen, führt ein langer Feldweg die Höhe oberhalb des Rheins entlang. Auf beiden Seiten Getreidefelder, links dahinter alte Streuobstwiesen mit dem Lindenbäumchen, rechts der weite, atemberaubende Blick über das Neuwieder Becken.

Bei schönem Wetter kann man von dort mit den Augen dem Rhein aufwärts folgen, wie er sich von Neuwied über Bendorf, Vallendar bis hinter Koblenz durch das Tal schlängelt. Dreht man sich leicht im Uhrzeigersinn, so sind in weiter Ferne die Vulkaneifel, das Maifeld und die Höhen um den Laacher See zu erkennen. Was für ein Ausblick!

Abgehoben

Nach einer kurzen Wegstrecke gelange ich an den Fliegerberg. Ja, er heißt tatsächlich so! Und das, obwohl es sich lediglich um einen kleinen Hügel handelt. Bei schönem Wetter tummeln dich dort die Flieger, genauer gesagt die Gleitschirmflieger. Ehrlich gesagt kenne ich mich nicht besonders damit aus. Aber dieser Hügel scheint sehr gut für Anfänger geeignet zu sein. Man kann dort prima das Starten und Landen üben. Wenn ich daran denke, was sich die Leute für eine Mühe machen, um für etwa eine halbe Minute oder, wenn es hochkommt, für ein bis zwei Minuten zehn oder fünfzehn Meter hoch über der Erde in der Luft zu sein. Dann muss aber schon alles passen – die Windverhältnisse sowie das Können des Fliegers!

Das Fliegen hat wohl schon immer seinen Reiz auf die Menschen ausgeübt. Die Geschichte der Luftfahrt ist faszinierend und spannend; die Entwicklung der Flugtechnik ebenso. Eines scheint uns Menschen zu verbinden: Das Streben nach oben, dem Himmel entgegen.

Die Faszination des Himmels

Der Himmel hat etwas Besonderes für uns. Wenn ein Greifvogel durch die Lüfte schwebt, so hat das etwas Erhabenes an sich. Der Wind, der einen dort oben umströmt, und die Aussicht vermitteln Freiheit. Wir haben von dort einen anderen Blick auf die Erde, eine andere Perspektive. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel zeigt, dass der Himmel Kraft, Macht und Einzigartigkeit verspricht. Er macht Gottlose zu Göttern – was sich allerdings letztlich immer als Täuschung erweist.

Gottesfürchtige bringt er jedoch Gott näher. In Jesaja 55, 9 heißt es: „ … sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“

Und so hilft uns der Blick in den Himmel ein Gefühl dafür zu bekommen, um wie viel Gott doch größer im Vergleich zu uns Menschenkindern ist.

Gleichzeitig erahnen wir etwas von Gottes Perspektive, seinen Blick auf diese Welt und auf unser Leben, das wir ihm allein zu verdanken haben.

Kein Wunder also, dass das Wort „Himmel“ so häufig in der Bibel vorkommt. Schließlich ist auch sie eine Offenbarung Gottes. In ihr will Gott uns ein Bild von sich vermitteln, uns zeigen wer und wie er ist. Wenn du gefangen bist in deinen eigenen Gedanken und Begrenzungen, dann führt dich die Bibel, ebenso wie ein Blick in den Himmel das in ganz besonderen Momenten vermag, in die unendlichen Weiten Gottes. Das Wort Gottes hat jedoch demgegenüber noch einmal eine ganz andere inhaltliche Qualität: Sie ist unerschöpflich! Ein Leben reicht nicht aus, um sie in ihrer Tiefe, Weite und Höhe zu ergründen. Wenn wir es probieren wollen, verlassen wir die Engstirnigkeit und Muffigkeit unseres manchmal so trüben Daseins. Und so sinne ich in diesen Tagen zwischen den Jahren – 2020 ist noch nicht zu Ende, 2021 hat noch nicht begonnen – darüber nach, was in den letzten 12 Monaten so alles geschehen ist.

Ein Interludium

Der Hummelflug ist ein Zwischenspiel aus dem dritten Akt der Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“ von Nikolai Rimski-Korsakow aus dem Jahr 1899/1900 und damit mehr als 120 Jahre alt. Während ich diese Zeilen schreibe, spiele ich es wieder und wieder auf meiner Musikanlage ab. Es beginnt stürmisch und mit großer Spannung. Man hört sie tatsächlich, die schnellen Flügelschläge und das kräftige Brummen der Hummel. Das steckt voller Leben und Energie! Welle um Welle erhebt sich dieses Stück, die wimmelnden Streicher unterbrochen und begleitet durch starke, alsbald zarte Klavierakzente, und rast in Windeseile, nur um plötzlich, genauso schnell, wieder zu verstummen. Kurz und atemberaubend: Meine Version des Violinensemble des Bolschoi-Theaters Julij Rejentowitsch ist gerade einmal 1 Minute und 11 Sekunden lang. Trotzdem, oder gerade deswegen – dieses Interludium1 hat es in sich!

Beinahe genauso energiegeladen und schnell sind die Tage und Monate dieses Jahres vergangen. Einerseits schien sich zwar, Tag für Tag gesehen, nicht viel zu tun. Andererseits stelle ich rückblickend fest, wie viel sich verändert hat und wie wahnsinnig schnell und kraftvoll sich die Welt gedreht hat. Trotzdem – in der Weltgeschichte ist das ein „Fliegenschiss“, oder eben, feiner ausgedrückt, ein Hummelflug.

Es war ganz schön spannend, manchmal unheimlich und düster, nicht wahr? Und von Wellen haben wir auch geredet, zumindest von der ersten und zweiten Corona-Welle. Schade, dass die nicht so schnell wieder vorbei waren wie das Stück von Rimsky-Korsakoff!

Wie Gott das wohl sieht? Natürlich, seine Gedanken sind soviel höher wie der Himmel höher ist als die Erde! Das tröstet mich und gibt mir Mut. Zumal das auch von seinen Wegen gilt. Eines weiß ich: Seine Wege mit mir sind gut! Auch, wenn ich sie nicht immer begreife – in Tiefe, in Weite und in Höhe. Wenn ich in den Himmel schaue, sehe ich viel Bewegung, aber auch viel Konstanz. Wie gut bei allen Veränderung und Herausforderungen, dass Gott eine feste Größe in meinem Leben ist. Das gibt mir Halt und Zuversicht – für das hier und jetzt. Und für das, was noch kommt!


1 kleineres, instrumentales Stück zwischen Opern-Szenen

Bibelverse zitiert aus:
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Diesen Artikel findest du auch in der neuen bibellesewelt.de-Veröffentlichung “Himmelsflieger”.


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Über den Autor:

Torsten Ratschat, gebo­ren 1967, ist leitender Angestell­ter in der Stahl­industrie. Er ist verhei­ratet und hat 3 erwach­sene Kinder.

„Gottes Plan beinhaltet, dass mit unbekannten Leuten an unwichtigen Plätzen zu belanglosen Zeiten etwas ganz Großartiges und Wunderbares geschieht.“

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2 Antworten

  1. Günter Romer sagt:

    Richtig schöne und tiefsinnige Betrachtung, die zum innehalten und nachdenken anregt. Meinen herzlichen Dank für ihre Arbeit mit und an uns.

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