Was ist überhaupt die Gemeinde?

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Es ist offensichtlich, dass Gemeinde in der Bibel bzw. im Christentum eine große Bedeutung spielt. Andererseits stellen sich eine ganze Reihe von praktischen Fragen. Welchen Sinn hat Gemeinde? Was ist das Ziel und der Zweck? Welche Aufgaben hat sie? Und warum sollte sich ein Christ oder jemand, der Interesse am christlichen Glauben hat, einer Gemeinde anschließen?

Kann man nicht einfach seinen Glauben im Privaten leben? Die Bibel kann ich zuhause lesen, eine Predigt im Internet oder im Fernsehen verfolgen. Beten kann ich überall – daheim, draußen in der Natur, egal wo. Dafür brauche ich kein kirchliches Gebäude. Wenn ich Lust habe, kann ich sogar Christen außerhalb von Gemeinden treffen – auf einem christlichen Kongress, in einem christlichen Freizeitheim oder sonstwo. Wozu also Gemeinde? Und vor allen Dingen: Warum sollte ich überhaupt in eine Gemeinde gehen?

Ein Porträt

Generell wird in der Bibel der Begriff Gemeinde, im griechischen Original “ekklesia” (= die herausgerufene Versammlung), nicht nur für die örtliche Gemeinde, sondern auch für die Gemeinde im universellen Sinne, also für die Gesamtheit aller Gläubigen weltweit und zu allen Zeiten gebraucht.

Familie

Gemeinde ist ein Gebilde, das Gott geschaffen und eingerichtet hat. In Johannes 1, 12 heißt es: “Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben”. Christen können sich also zu Recht als Kinder Gottes bezeichnen. Sie sind nicht alleine, sondern haben in diesem Sinne Geschwister. Andere Christen sind ihre Schwestern und Brüder. In der Gemeinde treffen sie sich. Als Gemeinde sind sie Familie Gottes. Gemeinde soll, wie Familie, ein geschützter Rahmen sein, in dem sich der Einzelne entwickeln, entfalten und in seinem Glauben wachsen kann.

Haus

Gemeinde ist auch wie ein Haus. In der Bibel wird sie als das Haus Gottes, als ein Bau (= Gebäude) oder sogar als ein heiliger Tempel bezeichnet (vgl. z. B. Hebräerbrief 3, 6; 1. Korintherbrief 3, 9; Epheserbrief 2, 21). Das Fundament des Hauses, auf dem es steht und sich stützt, sind die Apostel und Propheten, die von Gott berufen, Gottes Wort und die christliche Lehre verwaltet, weitergegeben und aufgeschrieben haben. Der Eckstein, der dem Gebäude die Ausrichtung, die Orientierung und den Halt gibt und von dem alles abhängt, ist Jesus Christus selber (vgl. Epheserbrief 2, 20).

In diesem Haus sind Christen die Mitbewohner. Die Gemeinde ist für sie Heimat und ein geistliches Zuhause. Christen sind von Gott herausgerufen aus der Welt und in diesen Bau als “lebendige Steine” eingefügt, weil er etwas Besonderes mit ihnen vorhat. Das Gebäude, d.h. die Gemeinde soll wachsen. Und mit ihr soll auch der Einzelne aufgebaut werden und sich in positiver Weise zu Gottes Ehre entwickeln (vgl. Epheserbrief 2, 21 – 22).

Leib

Die Gemeinde wird in der Bibel auch als Leib, als Leib Christi oder als ein Körper beschrieben (vgl. besonders 1. Korintherbrief 12, 12 – 31). Wie ein Körper viele Glieder bzw. Körperteile und Organe hat und benötigt, besteht die Gemeinde aus vielen Gemeindemitgliedern. Jeder Einzelne ist verschieden und hat unterschiedliche Gaben und Fähigkeiten von Gott geschenkt bekommen. Alle werden gebraucht und wenn nur einer fehlt oder leidet, dann hat auch die Gemeinde einen Mangel oder leidet mit.

“… wenn ich aber erst später komme, sollst du wissen, wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit.”

(1. Tim. 3, 15)

Alles fügt sich gut zusammen und bildet eine Einheit. Jeder ist hilfreich und dient mit seinen Fähigkeiten der gesamten Gemeinde. Dadurch kann die Gemeinde, aber auch der Einzelne, aufgebaut werden, sich gut entfalten und wachsen. Das Ziel ist, dass die Gemeinde und ihre Mitglieder sich so positiv weiterentwickeln und “veredelt” werden, “bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi” (Epheserbrief 4, 13).

Das Ziel

Die Gemeinde dient dazu Gott zu verherrlichen, d.h. sie existiert zu seinem Lob und zu seiner Ehre. Sie soll der sichtbaren und unsichtbaren Welt ein Zeugnis für die Größe, Erhabenheit und Weisheit Gottes sein (vgl. Epheserbrief 3, 10). Daher beabsichtigt und bewirkt Christus selber perspektivisch, d. h. als Vision und Ziel, eine Gemeinde, ”die keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei” (Epheserbrief 5, 27).

Jesus Christus hat sich selbst hingegeben, “damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken” (Titus 2, 14). Jesus ist also nicht nur für die Schuld der Menschen gestorben, sondern auch, um die Gemeinde zu bilden; die Gemeinde soll tatkräftig und fleißig darum bemüht sein, Gutes zu tun. Der Kopf des Leibes oder das Haupt der Gemeinde ist Jesus Christus, dem sich die Gemeinde unterordnen soll (vgl. Epheserbrief 1, 22 und 5, 23 – 24).

Herde

Jesus Christus ist der gute Hirte, der seine Herde, die Gemeinde, treu und zuverlässig führt, versorgt und beschützt (vgl. Johannes 10, 1 – 30). Der Hirte kennt jedes seiner Tiere genau und weiß, was es braucht. Und seine Tiere kennen den Hirten und folgen seiner Stimme. Dies ist ebenfalls eine starke Beschreibung für die Gemeinde. Jesus Christus, als der gute Hirte, kennt seine Gemeinde und deren Mitglieder. Seiner hingebungsvollen Führung, seiner Versorgung und seinem Schutz ist sie anvertraut. Es besteht eine enge, persönliche Bindung und Beziehung in der Gemeinde untereinander, vor allem aber zu Jesus Christus.

Weinstock

Der Weingärtner pflegt und reinigt die Reben am Weinstock. Die Reben erhalten durch die Verbindung zum Weinstock die benötigte flüssige Nahrung zugeführt. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie viele und gute Früchte hervorbringen können. Dieses Bild vom Weinstock verwendet Jesus Christus in Johannes 15, 1 – 8. Es wird, meiner Meinung nach zu Recht, vielfach auch auf die Gemeinde angewendet.

Gott, der Vater, ist der Weingärtner, Jesus Christus ist der Weinstock und seine Jünger – oder hier in dieser Anwendung eben die Gemeinde – sind die Reben. Ohne die enge und stetige Beziehung der Gemeinde zu Jesus und das ordnende, pflegende und reinigende Handeln Gottes an und in der Gemeinde ist eine gute Entwicklung bzw. das Leben und Überleben der Gemeinde nicht möglich. Die Gemeinde und ihre Mitglieder sollten daher immer möglichst nah an Jesus und damit an Gott dran sein!

Braut

Für die Gemeinde wird darüber hinaus auch das Bild und der Begriff der Braut, einer Verlobten oder Braut Christi oder Frau des Lammes gebraucht. Hierdurch wird ebenfalls die innige und liebevolle Beziehung zwischen Jesus und seiner Gemeinde zum Ausdruck gebracht (vgl. z.B. 2. Korintherbrief 11, 2; Epheserbrief 5, 25 ff., Offenbarung 19, 7 – 9; 21, 9; 22, 17).

Christsein und Gemeinde

Als Christ sollte ich mich einer örtlichen Gemeinde anschließen, mich mit meinen Gaben und Fähigkeiten dort einbringen und mitarbeiten. Das ist Gottes Wille (vgl. nochmals 1. Korintherbrief 12, 13 ff.). Sich als Christ ins Private zurückzuziehen und getrennt von anderen Christen sein (Glaubens-)Leben zu leben ist nicht seine Absicht für uns. Dies sollte vielmehr die Ausnahme sein und kann vorkommen in Zeiten der Verfolgung und Gefangenschaft oder wenn man in Ländern und Regionen lebt, wo es keine oder nur sehr wenige, weit verstreute Christen gibt.

Eine Gemeinde ist aber nicht nur für Christen hilfreich und wichtig. Auch der Interessierte und Gott Suchende findet hier christliche Lehre und Orientierung, Annahme und Wertschätzung, Ermutigung aber auch Ermahnung und Korrektur, Trost und Mittragen, Gemeinschaft und Unterstützung. Er begibt sich in der Gemeinde unter den besonderen Schutzschirm und Segen Gottes. Viele Verheißungen und Zusagen Gottes beziehen sich auf die Gemeinde. Daher kann ich dir den regelmäßigen Besuch einer Gemeinde von Herzen empfehlen.

Die Herausforderungen

Natürlich ist keine Gemeinde perfekt und bildet die Vision und das Ziel Jesu bereits vollständig ab. Da wir jedoch ebenfalls noch auf dem Wege sind, passt das gut. In der Gemeinde treffen Menschen unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen Alters, aus diversen gesellschaftlichen Kreisen und Lebenssituationen aufeinander. Hier will und kann das gemeinsame Miteinander, das Geben und Nehmen eingeübt werden. Jeder kann und soll sich entsprechend seiner Möglichkeiten einbringen und engagieren und alle geben aufeinander acht.

Auch bei Schwierigkeiten, Problemen und Konflikten untereinander, die immer wieder da, wo Menschen zusammenkommen, auftreten können, bleibt man beieinander. Bei größeren Verfehlungen mögen nach Ermahnung auch Korrektur und Zurechtweisung durch die Gemeindeleitung nötig sein.

Dies sind die Herausforderungen, an denen der Einzelne und die Gemeinde als Ganzes arbeiten und wachsen kann. Eine lebendige, hoffnungsvolle und fröhliche Gemeinde strahlt nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Sie wird für Außenstehende attraktiv sein. Nicht, weil sie sich an die gesellschaftlichen Werte und Trends anpasst, sondern weil sie erfrischend anders ist und durch ihre Ecken und Kanten Menschen zum Nachdenken herausfordert (vgl. auch Matthäus 5, 13).

Liebe

Jesus spricht: “Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt” (Johannes 13, 34 – 35). Liebe und liebevoller Umgang miteinander – das ist das wesentliche Kennzeichen von Gemeinde in einer Welt, die vielfach von Lieblosigkeit und Kälte geprägt ist.

Hierdurch wird Gemeinde zum Zeugnis für Jesus Christus, der für sie in Johannes 17, 20 – 21 bittet: “Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.”

Widerspruch und Verfolgung

Gemeinde wird aber nicht nur Zustimmung von außen erfahren. Weil Gemeinde bzw. das Christsein generell so ganz anders ist, wird sie auch Unverständnis, Ablehnung, Widerspruch, Feindschaft und Verfolgung von außen erleben. Aber sie steht unter dem besonderen Schutz Gottes und dem Gebet um Bewahrung von Jesus Christus (vgl. z.B. Matthäus 16, 18; Johannes 17, 15).

Alle Bibelverse zitiert aus: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

[Auszug aus dem Buch “Als Gott das Licht anmachte” siehe auch bibelesewelt.de/buecher/ ]

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